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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 21.02.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 57/01
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5
Läßt sich ein Ausländer für 9000 DM nach Deutschland schleussen, so besteht der Verdacht, dass er sich allein wegen des verlorenen Geldes der Abschiebung entziehen will.
BayObLG Beschluss

LG Nürnberg-Fürth 4 T 10971/00; AG Nürnberg 59 XIV 369/00

3Z BR 57/01

21.02.01

Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Plößl und Dr. Denk

am 21. Februar 2001

in der Abschiebungshaftsache

auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24. Januar 2001 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Ausländerbehörde betreibt die Abschiebung des Betroffenen, eines indischen Staatsangehörigen. Mit Beschluss vom 5.9.2000 ordnete das Amtsgericht gegen ihn zur Sicherung seiner Abschiebung mit sofortiger Wirksamkeit Abschiebungshaft bis längstens 5.12.2000 an. Dagegen wurde kein Rechtsmittel eingelegt.

Mit Beschluss vom 1.12.2000 verlängerte das Amtsgericht mit sofortiger Wirksamkeit die Abschiebungshaft bis längstens 5.3.2001.

Die vom Betroffenen hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde sowie den gleichzeitig gestellten Antrag, ihm seinen Verfahrensbevollmächtigten als Pflichtverteidiger beizuordnen, hat das Landgericht am 24.1.2001 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Betroffene mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, es sei der Haftgrund des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG gegeben, weil der Betroffene ohne Pass und ohne Visum in das Bundesgebiet eingereist sei. Dass er sich der Abschiebung nicht entziehen werde, habe der Betroffene nicht glaubhaft gemacht. Die Dauer der Abschiebungshaft sei auch nach Verlängerung verhältnismäßig, da der Betroffene die Verzögerungen, die dadurch einträten, dass die Ausländerbehörde für ihn erst Passersatzpapiere beschaffen müsse, zu vertreten habe. Dass die Abschiebung in den nächsten drei Monaten nicht durchgeführt werden könne, stehe nicht mit Gewissheit fest.

Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers, wie sie der Betroffene beantragt habe, komme nicht in Betracht, weil die Vorschriften der Strafprozessordnung im vorliegenden Verfahren unanwendbar seien. Nach den Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit könne ein Verfahrenspfleger dem Betroffenen nicht beigeordnet werden, weil diese Bestimmungen für die Anordnung der Abschiebungshaft nicht gelten würden. Die Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten im Rahmen der Prozesskostenhilfe sei vom Betroffenen nicht ausdrücklich beantragt worden. Auch fehlte diesbezüglich die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels.

2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand (§ 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).

a) Der Senat versteht den Einwand des Betroffenen, das Landgericht habe die Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten zu Unrecht abgelehnt, nicht als selbständige Beschwerde, sondern als Rüge eines Verfahrensfehlers. Diese greift nicht durch.

Um dem Gebot fairer Verfahrensführung (vgl. BVerfG NJW 1986, 767/771) in Abschiebungshaftsachen gebührend Rechnung zu tragen, bedarf es keiner analogen Anwendung des § 140 Abs. 2 StPO. Entsprechender Schutz wird bereits durch das Rechtsinstitut der Prozesskostenhilfe gewährt (§ 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 14 FGG i.V.m. 55 114 ff. ZPO). Dieses sieht gemäß § 121 Abs. 2 ZPO die Beiordnung eines Rechtsanwalts vor, wenn die Vertretung durch einen solchen erforderlich erscheint. Einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat der Betroffene jedoch nicht gestellt. Ob bzw. unter welchen Voraussetzungen dem Betroffenen eines Abschiebungshaftverfahrens ein Verfahrenspfleger zu bestellen ist, kann dahinstehen, weil der Betroffene hier in der Person seines Verfahrensbevollmächtigten bereits von einem Rechtsanwalt vertreten wurde (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 2 FreihEntzG; § 70b Abs. 3 FGG).

b) Ob der Haftgrund des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG, auf den das Landgericht abstellt, vorliegt, kann dahinstehen. Läge nur dieser Haftgrund vor, müsste die sofortige weitere Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt werden. Die Oberlandesgerichte Düsseldorf (Report 2000, 107 = NWZ Beilage 2000, 47) und Karlsruhe (NVWZ Beilage 2000, 111) sind nämlich, anders als der Senat, der Auffassung, dass die Abschiebungshaft im Lichte der Bestimmung des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 AsylVfG nur dann aufrechterhalten werden könne, wenn sich der Ausländer länger als einen Monat unerlaubt im Bundesgebiet aufgehalten habe. Nach dieser Auffassung könnte auf den genannten Haftgrund nicht zurückgegriffen werden, weil der Betroffene, wie das Landgericht festgestellt hat, am 21.8.2000 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 15.9.2000 aus der Abschiebungshaft heraus einen Asylantrag gestellt hat.

c) Es ist jedenfalls der Haftgrund des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG gegeben. Aufgrund des gesamten Verhaltens des Betroffenen besteht der begründete Verdacht, dass sich der Betroffene der Abschiebung entziehen will.

Der Senat kann den Akten entnehmen (vgl. BayObLGZ 1988, 131/133), dass sich der Betroffene über einen Agenten ein Visum für umgerechnet 7000 DM besorgt hatte. Dies hat der Betroffene bei seiner ersten Vernehmung durch die Kriminalpolizeidirektion Nürnberg am 4.9.2000 eingeräumt. Weiterhin hat er dort angegeben, dass er seinen Pass in Frankreich verloren habe und eigentlich nach Italien weitergebracht werden sollte. Warum er in Deutschland gelandet sei, wisse er nicht. Er sei mit einem Lkw transportiert worden. Für den Transport habe er 800 US-$ gezahlt. Diese Angaben des Betroffenen wurden von ihm bei seiner Anhörung durch das Landgericht am 23.1.2001 bestätigt, wo er äußerte, er bleibe dabei, dass es sich so abgespielt habe, wie er es bei der Polizei angegeben habe.

Die genannten Angaben des Betroffenen sind hinreichendes Indiz dafür, dass der Betroffene mit der Organisation und Durchführung seiner Einreise einen oder mehrere Schleuser beauftragt hat. Dies wiederum lässt den Rückschluss zu, der Betroffene wolle sich der Abschiebung entziehen, da er im Falle der Abschiebung die erheblichen finanziellen Mittel für den/die Schleuser vergeblich aufgewendet hätte (vgl. BGH FGPrax 2000, 130).

d) Hinderungsgründe stehen der Haftverlängerung nicht entgegen.

Die Aufenthaltsgestattung, die der Betroffene aufgrund seines Asylantrags trotz Abschiebungshaft (vgl. Renner AuslR 7. Aufl. § 55 AsylVfG Rn. 15) erworben hatte (§ 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG), ist erloschen (§ 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG). Der Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 28.9.2000, mit dem der Antrag des Betroffenen auf Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt wurde, ist seit 12.10.2000 bestandskräftig.

Ob die Abschiebung des Betroffenen ansonsten zu Recht betrieben wird, haben die Haftgerichte nicht zu prüfen; insoweit obliegt die Gewährung von Rechtsschutz ausschließlich den Verwaltungsgerichten (vgl. BayObLGZ 1993, 311/313; KG InfAuslR 2000, 230/232).

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler dargelegt, dass die Ausländerbehörde die Abschiebung des Betroffenen mit der gebotenen Beschleunigung betreibe (vgl. hierzu BGHZ 133, 235/239; BayObLGZ 1991, 258/260; OLG Frankfurt a.M. AuAS 1998, 198; OLG Karlaruhe InfAus1R 1998, 463). Es hat ferner rechtsfehlerfrei begründet, dass die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Abschiebungshaft über drei Monate hinaus auf nunmehr insgesamt sechs Monate gegeben seien, da der Betroffene die auf seiner Ausweislosigkeit beruhende Verzögerung seiner Abschiebung zu vertreten habe (vgl. BGHZ 133, 235/237 ff.).

Schließlich ist auch die Prognose des Landgerichte, dass die Abschiebung des Betroffenen innerhalb der nächsten drei Monate nicht unmöglich sei (§ 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG), rechtlich nicht zu beanstanden.

Ende der Entscheidung

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